Klemmbausteingeschichten

Klemmbaustein-
geschichten: Kapitel 1: COBI-Fan Benny – Entschleunigung in Zeiten von Corona

Klemmbausteingeschichten

Es sind Geschichten, wie man sie von erwachsenen Bausteinfans immer wieder hört. In vielen Kinderzimmern späterer AFOBs wurde mit den bunten Klötzchen von Lego gebaut, gebastelt und Fantasiewelten erschaffen, bis das Erwachsenensein überhand nahm und die Steine in den Keller verschwanden oder verkauft wurden.

Auch Benny erzählt, dass er als kleines Kind mit Legosteinen gebaut hat, in seinem Fall waren es Raumschiffe und Autos, die ihn in den Bann gezogen haben. Wenn er heute anderen von seinem Hobby erzählt, erinnert er sich gern an diese Anfangszeit im Kinderzimmer. Nostalgie ist ein Wort, das dabei immer wieder fällt.

Doch während es damals vor allem um Beschäftigung, Entdecken und Ausprobieren ging, sind heute andere Werte in den Mittelpunkt gerückt. Sich Zeit nehmen, entschleunigen, dem Alltag entfliehen. Wenn Benny an seiner Werkbank steht, kann er abschalten, wie er sagt. „Es ist einfach so schön entspannend und entschleunigt auch extrem, was heute allgemein leider fehlt meiner Meinung nach“.

COBI Panzer I Ausf. A (2534) auf dem Schlachtfeld vor einem alten Schuppen
COBI Panzer I Ausf. A (2534) auf dem Schlachtfeld vor einem alten Schuppen

Während viele aus der Baustein-Community die sogenannten Dark Ages* erst während der Pandemie verlassen haben, hat Benny die Klemmbausteine schon vor dem großen Danach wiederentdeckt. Dennoch hat die Pandemie einiges verändert, vor allem hat er eine größere Wertschätzung für sein Hobby erfahren. Wie zuvor verarbeitet Benny weiterhin Restbestände, Holzverschnitte und andere Materialien. Und ja, auch das Coronagold – Toilettenpapier musste nun als Material herhalten.

Diorama mit COBI Renault FT-17
Diorama mit COBI Renault FT-17

Geschichten erzählen

Doch Benny baut nicht einfach nur nach Anleitung Modelle auf und stellt sie danach ins Regal. Ihm geht es darum, das Modell in einer lebendigen Umgebung zu präsentieren, Geschichten zu erzählen. Er wertet die Bausteinsets mit selbst gebastelten Erweiterungen und Dioramen auf – und die sind spektakulär. „Diese Kombination aus Klemmbaustein und Modellbau hatte mich direkt abgeholt… die nostalgischen Erinnerungen an die schönen alten Zeiten mit Lego im Zimmer und die etwas ‚erwachsenere‘ Version in Form von Modellbau war einfach spannend und was interessantes Neues.“

Diorama mit SD. KFZ. 251/1 (2552) und Horch 901 (2405)
Diorama mit SD. KFZ. 251/1 (2552) und Horch 901 (2405)

Bennys Klemmbausteingeschichte nimmt zwar als Kind seinen Anfang, wird aber als Erwachsener mit einem wichtigen Meilenstein fortgesetzt. Sein erstes Klemmbausteinset als Erwachsener war die Yamato von COBI – das Original ein „Meisterwerk der Schiffsarchitektur“. Daneben gehören die Junkers JU 87B, der Sherman M4A3E8 Easy Eight sowie der Mercedes 770 zu seinem Lieblingsmodellen.

COBI Fokker Red Baron auf einem kleinen Flugplatz (2974)
COBI Fokker Red Baron auf einem kleinen Flugplatz (2974)

Yamato-Diorama und die Sache mit dem Toilettenpapier

Immer wieder die Yamato, die hat es ihm angetan. “Ich war absolut begeistert und habe mit dem Modell zusätzlich eine gute Abwehr gegen Einbrecher“. Verdenken kann man es ihm nicht, die Yamato, ein japanisches Schlachtschiff erschien von COBI bisher in zwei Versionen, sowohl die 3083 als auch die 4814 werden aus 2500 Teilen aufgebaut und weisen schließlich eine beeindruckende Länge von 90 Zentimetern auf. Benny nennt die Version 3083 sein eigen, das Model mit World of Warships-Lizenz, ein Computerspiel, das er auch selbst jahrelang privat mit Freunden gespielt hat.

COBI Yamato mit selbst gebautem Diorama
COBI Yamato mit selbst gebautem Diorama

Nach einem Video auf YouTube, in dem die Yamato vorgestellt wurde, machte es Klick, es folgte der Besuch bei einem Händler – der mittlerweile zu einem Freund geworden ist – und schließlich stand das erste Klemmbausteinset für Erwachsene in den eigenen vier Wänden.


Dass die Yamato nun in bewegten Gewässern zu sehen ist, ist einem Maskottchen zu verdanken. Nachdem Benny krankheitsbedingt nicht selbst zur GamesCom fahren konnte – hier wurden Miniaturexemplare von Mr. Torpedo aus Plüsch am Stand von Wargames (Entwickler von World of Warships) verteilt – wollte er den Support um ein eigenes Exemplar bitten. Um seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen und dem Spiel Anerkennung zu zollen, wurde er kreativ. Zuvor hatte er bereits Videos von YouTubern angeschaut, die sich mit Modellbau auseinandersetzten. Auch etwas Erfahrung in Sachen Holzbearbeitung war dank selbst gebauter Vogelhäuschen und Insektenhotels bereits vorhanden.

Making of Yamato Diorama

Dass nun ausgerechnet das Coronagold – Toilettenpapier – dermaßen ansprechend in Szene gesetzt wurde, ist einem Zufall zu verdanken. Durch Feuchtigkeit im Badezimmer hatte es sich so verformt, dass Bennys Fantasie angeregt wurde. Warum nicht aus Toilettenpapier Wellen formen und so authentische Strukturen abbilden? Um das Wellenbild und das Gischtverhalten möglichst genau hinzubekommen, war jedoch weitere Recherche nötig. „Danach habe ich…zum Bedauern meiner Teamspieler in ‚World of Warships‘ die Wasserbewegungen und das Gischtverhalten bei der Yamato angeschaut […], Screenshots gemacht und so Schicht für Schicht weiteres Toilettenpapier an den entsprechenden Punkten angebracht und mit einem Pinsel zu einer Bugwelle zusammen geschoben.“ Schließlich entstand Schicht um Schicht, Lage um Lage Toilettenpapier das bewegte Wasser, in dem die Yamato nun ihre Kreise zieht.

Making of Yamato Diorama
Making of Yamato Diorama
Making of Yamato Diorama
Making of Yamato Diorama

Wie Benny seine eigenen Limited Editions baute

Doch die Yamato ist nicht Bennys einziges Werk, das COBI-Modelle in einen besonderen Rahmen setzt. COBIs limitierte Editionen, vor allem die Fahrzeuge, werden in der Regel mit einem Sockel geliefert, der die Nummer der Ausgabe sowie die Setnummer zeigt. Doch anders als bei COBI werden Bennys Modelle nicht auf einem glänzenden Standfuß aus Kunststoff präsentiert, sondern auf einer edleren, selbst gebauten Holzvariante. “Durch den fehlenden glänzenden Effekt und da es im Vergleich zum Klemmbaustein eher ein matter ‚Fremdkörper‘ ist bleibt der Fokus zusätzlich eher auf dem Modell und wird lediglich vom Holzstandfuß unterstrichen…“

COBI 1938 Mercedes 770 auf selbst gebastelter Baseplate
COBI 1938 Mercedes 770 auf selbst gebastelter Baseplate

Alles begann mit dem Mercedes 770, dessen limitierte Edition Benny für die zusätzlichen Extras im Vergleich zur Standardedition zu teuer erschien. „Da mir die Limited Editionen zu teuer waren, ich den Standfuß aber genau so simpel wie genial fand musste dort eben eine Alternative her.“

Baseplates aus Holz für verschiedene COBI-Modelle
Baseplates aus Holz für verschiedene COBI-Modelle

Und so entstehen in gerade einmal 30-40 Minuten edle Baseplates für COBI-Modelle, die sogar schon begeisterte Nachahmer auf den Plan gerufen haben. „Der Großteil der Arbeitszeit fließt hier in die Aussparung für das Cobi Namensschild da dieses wirklich präzise sein muss damit das Typenschild fest, aber nicht zu stramm sitzt und das Schild vorne bündig abschließt. Hier ist Fingerspitzengefühl und […] Erfahrung gefragt“.

Baseplate mit Aussparung für das Typenschild
Baseplate mit Aussparung für das Typenschild

Darf es etwas LEGO sein?

Fragt man Benny nach seinem Lieblingshersteller von Klemmbausteinen, fällt die Antwort eindeutig aus. Zwar hat er bereits den Mustang von LEGO gebaut, auch eines seiner Lieblingsmodelle, der Porsche steht ebenfalls auf seiner persönlichen Wunschliste. Auch BlueBrixx-Modelle wurden bereits ausprobiert, doch die sehr noppige Optik und auch der teils fragile Bau sind seiner Meinung nach gewöhnungsbedürftig. Da er sich vornehmlich an militärischem Gerät erfreut, ist er letztlich immer wieder bei COBI gelandet. Dass die Steine in der EU hergestellt werden und die neuen Sets keinerlei Aufkleber aufweisen, ist ein großes Plus für Benny. „Ansonsten ist Cobi mit militärischen Gerät und dem Umfang einfach Top, dazu eben auch die eigenen Bausteine welche verwendet werden, welche dann eben Bautechniken ermöglichen die man mit den ‚handelsüblichen‘ Steinen kaum nachbauen kann.“

COBI Panzer IV (2508) vor einer alten Hausruine
COBI Panzer IV (2508) vor einer alten Hausruine

Just let it happen“

Doch wie entstehen nun die Ideen für Bennys Dioramen? Frei nach dem Motto von Bob Ross geht es vor allem darum, sich Inspirationen zu holen, dabei aber nicht die Ideen anderer zu kopieren. „Wenn ich etwas nach Anleitung bauen soll schalte ich sehr schnell ab und verliere dort das Interesse.“ Selbst kreativ werden, Lösungen finden und sich weiterentwickeln – das ist das Ziel. Benny ist ein Autodidakt, zwar nutzt er immer mal wieder YouTube-Tutorials, die Gestaltung eigener Dioramen ist jedoch immer „Benny pur“. Dabei beweist er immer wieder Einfallsreichtum, statt umfangreicher Material- und Einkaufslisten werden meist Dinge genutzt, die bereits vorhanden sind. Erst vor vier Jahren kam Holz als Baustoff hinzu, „dieses Erschaffen aus einem Werkstoff und von 0 auf hat einfach Spaß gemacht“.

COBI Sherman Easy Eight (2533) und das berühmte "Kilroy was here"-Meme
COBI Sherman Easy Eight (2533) und das berühmte „Kilroy was here“-Meme

Wenn Benny von seinen Projekten erzählt, spürt man die Leidenschaft für sein Hobby. Die Ideen sind ihm noch lange nicht ausgegangen. Baseplates für Limited Editions von COBI bauen oder Panzer in Szene setzen, das ist erst der Anfang, viele neue Projekte sind bereits geplant oder in Arbeit. Seine eigene Wohnung bietet ihm jedoch nicht ausreichend Platz, um seiner Kreativität Raum zu geben. Stattdessen bastelt Benny in einer Tagesstätteneinrichtung, die ihm nicht nur die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, sondern auch die Gelegenheit gibt, alle Materialien zu lagern.

COBI F/A-18E Super Hornet bereit zum Abheben
COBI F/A-18E Super Hornet bereit zum Abheben (5805)

Die Sammlung wächst

Mittlerweile hat Bennys Sammlung beachtliche Ausmaße angenommen und umfasst zahlreiche Schiffe, U-Boote, Flugzeuge, Panzer und Fahrzeuge, vorrangig natürlich von seinem Lieblingshersteller COBI. Sein Fokus liegt ganz klar auf militärischem Gerät, welches ihn aufgrund seiner Technik und Formgebung fasziniert. Benny nennt sein (Sammel)hobby liebevoll „Suchtsumpf“, der ihn langsam verschlungen hat.

COBI Junkers 87B (5705)
COBI Junkers 87B (5705) in einer rustikalen Lagerhalle

Ein großes Problem teilt Benny dabei mit vielen anderen AFOBs – den Platzmangel. Zwar haben drei IKEA-Vitrinen Einzug in sein Zuhause gehalten, doch diese bieten nicht annähernd genug Raum, um all die Modelle und Dioramen zu beherbergen. Vor allem die großen Schiffe brauchen viel Platz. Eine Lösung ist bislang nicht in Sicht, sodass viele aufgebaute Modelle provisorisch in Kunststoffboxen lagern müssen.

Träumt er wie so mancher Bausteinfan von einem eigenen Museum? Das eigene Hobby ausstellen, die Lebensleistung würdigen? Ich weiß es nicht, glaube aber, dass ihm das Lob und die Anerkennung anderer viel bedeutet. Andere inspirieren, sich aus der Komfortzone herauszubewegen, das eigene Hobby weiterzuentwickeln, auch das treibt ihn an.

COBI Leopard I rollt in die Stadt (3037)
COBI Leopard I rollt in die Stadt (3037)

Ich habe ihn zwar nie persönlich kennengelernt, aber ich sehe ihn deutlich vor mir, wie er an seiner Werkbank steht, und an einem neuen Projekt bastelt, immer ein kleines Lächeln auf dem Gesicht, entschleunigt und ganz und gar tiefenentspannt.


Weitere Bilder von Benny S findet ihr auf seinem persönlichen Imgur-Profil.

*Dark Ages = (in)offizielle Bezeichnung für jene Jahre zwischen Jugend und Erwachsensein, in denen Lego und andere Klemmbausteine aus den Augen verloren wurden.


Bildquelle: Mit freundlicher Genehmigung von Benny S.

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